Montag, 14. April 2014

1Q84


"Ob es mir gefällt oder nicht, dachte sie, ich befinde mich jetzt im Jahr 1Q84.
Das mir vertraute 1984 existiert nicht mehr, wir haben jetzt 1Q84.
Die Atmosphäre hat sich verändert. Ich muss mich dieser Welt mit Fragezeichen
möglichst rasch anpassen. Wie ein Tier, das es in einen fremden Wald verschlagen hat.
Um mich zu schützen und zu überleben, muss ich die Gesetze meiner 
neuen Umgebung möglichst schnell lernen und ihnen gehorchen."

Ich muss ehrlich zu euch sein: Murakami ist nicht für jeden etwas.
Er hat einen einfachen, beinahe puristischen Stil, der gar nicht so recht zu den surealen Teilen der Geschichte passen mag, und es gerade deßhalb genau das richtige ist.
Jedes mal aufs Neue bin ich beeindruckt wie sehr mich diese klaren Worte mitnehmen können. 
Und auch dieses mal ist das Setting mehr als schlicht, die Charaktere klar umrissen und kein Wort zuviel. Was bei 1591 Seiten insgesammt schon eine Leistung ist.


"Am Himmel standen zwei Monde. Ein großer und ein kleiner. Nebeneinander.
Der große war der ihr vertraute gute alte Mond. Er war fast voll und gelb.
Aber neben ihm befand sich ein weiterer Mond, der ihr ganz und gar nicht vertraut war.
Er war ein wenig asymetrisch und grünlich, wie von zartem Moos überwachsen.
Das war es, was sie sah."

Die ersten beiden Teile der Geschichte erschienen bei uns zusammengefasst im silbernen Einband, das dritte Buch erschien später einzeln.
In den ersten beiden Teilen, die mühelos ineinander übergehen, ist den beiden Hauptcharakteren, Tengo und Aomame, immer abwechselnd je ein Kapitel gewidmet.
Tengo ist Lehrer und Autor, sein Leben scheint recht belanglos, bis sein Lektor ihn beauftragt das Manuskript einer Newcomerin zu überarbeiten.
Aomame führt oberflächlich ein ebenso unauffälliges Leben, als Trainerin in einem Sportstudio, während sie als Auftragsmörderin arbeitet.
Ohne es zu bemerken gerät Aomame in eine andere Realität und versucht nun den Weg zurück zu finden.




"Doch eines Tages ergriff das Mädchen Tengos Hand. 
Es war an einem wunderschönen klaren Nachmittag Anfang Dezember.
Nur ein paar dünne weiße Wolkenschleier zogen über den hohen Himmel vor dem Fenster."

Und obwohl sie sich seit zwanzig Jahren nicht gesehen haben, denken Tengo und Aomame, die in der selben Grundschulklasse waren, doch immer wieder an einander.
Eine Liebesgeschichte die immer im Hintergrund mitschwingt, ohne je die Haupthandlung auszumachen.
Auf dem Buchrücken des dritten Buches wird sie als "Romeo und Julia unseres Jahrtausends" bezeichnet. Und vielleicht stimmt das sogar.
Die moderne Version der Starcrossed Lovers auf die wir alle gewartet haben.
Ich jedenfalls habe diese Bücher verschlungen, und kann sie jedem empfehlen der sich auf eine ungewöhnliche Geschichte einlassen kann.